| zurück zum Inhalt nach unten zu Belehrung V Sermo IV Die Toten füllten murrend den Raum und sprachen: Rede zu uns von Göttern und Teufeln, Verfluchter. Gott Sonne ist das höchste Gut, der Teufel das Gegenteil, also habt Ihr zwei Götter. Es giebt aber viele hohe Güter und viele schwere Übel, und darunter giebt es zwei Gottteufel, der eine ist das BRENNENDE und der andere das WACHSENDE. Das Brennende ist der EROS in Gestalt der Flamme. Sie leuchtet, indem sie verzehrt. Das Wachsende ist der BAUM DES LEBENS, er grünt, indem er wachsend lebendigen Stoff anhäuft. Der Eros flammt auf und stirbt dahin, der Lebensbaum aber wächst langsam und stetig durch ungemessene Zeiten. Gutes und Übles einigt sich in der Flamme. Gutes und Übles einigt sich im Wachstum des Baumes. Leben und Liebe stehen in ihrer Göttlichkeit gegeneinander. Unermesslich, wie das Heer der Sterne ist die Zahl der Götter und Teufel. Jeder Stern ist ein Gott und jeder Raum, den ein Stern füllt, ist ein Teufel. Das Leervolle des Ganzen aber ist das Pleroma. Die Wirkung des Ganzen ist der Abraxas, nur Unwirkliches steht ihm entgegen. Vier ist die Zahl der Hauptgötter, denn vier ist die Zahl der Ausmessungen der Welt. Eins ist der Anfang, der Gott Sonne. Zwei ist der Eros, denn er verbindet Zwei und breitet sich leuchtend aus. Drei ist der Baum des Lebens, denn er füllt den Raum mit Körpern. Vier ist der Teufel, denn er öffnet alles Geschlossene; er löst auf alles Geformte und Körperliche, er ist der Zerstörer, in dem Alles zu Nichts wird. Wohl mir, dass es mir gegeben ist, die Vielheit und Verschiedenartigkeit der Götter zu erkennen. Wehe Euch dass Ihr diese unvereinbare Vielheit durch den einen Gott ersetzt. Dadurch schafft Ihr die Qual des Nichtverstehens und die Verstümmelung der Creatur, deren Wesen und Trachten Unterschiedenheit ist. Wie seid Ihr eurem Wesen getreu, wenn Ihr das Viele zum Einen machen wollt? Was Ihr an den Göttern tut, geschieht auch an Euch. Ihr werdet alle gleich gemacht und so ist euer Wesen verstümmelt. Um des Menschen willen herrsche Gleichheit, aber nicht um Gottes willen, denn der Götter sind viele, der Menschen aber wenige. Die Götter sind mächtig, und ertragen ihre Mannigfaltigkeit, denn wie die Sterne stehen sie in Einsamkeit und ungeheurer Entfernung von einander. Die Menschen sind schwach und ertragen ihre Mannigfaltigkeit nicht, denn sie wohnen nahe beisammen und bedürfen der Gemeinschaft, um ihre Besonderheit tragen zu können. Um der Erlösung willen lehre ich Euch das Verwerfliche, um dessentwillen ich verworfen ward. Die Vielzahl der Götter entspricht der Vielzahl der Menschen. Unzählige Götter harren der Menschwerdung. Unzählige Götter sind Menschen gewesen. Der Mensch hat am Wesen der Götter teil, er kommt von den Göttern und geht zum Gotte. So, wie es sich nicht lohnt über das Pleroma nachzudenken, so lohnt es sich nicht, die Vielheit der Götter zu verehren. Am wenigsten lohnt es sich, den ersten Gott, die wirksame Fülle und das summum bonum, zu verehren. Wir können durch unser Gebet nichts dazu tun und nichts davon nehmen, denn die wirksame Leere schluckt alles in sich auf. Die hellen Götter bilden die Himmelswelt, sie ist vielfach und unendlich sich erweiternd und vergrößernd. Ihr oberster Herr ist der Gott Sonne. Die dunkeln Götter bilden die Erdenwelt. Sie sind einfach und unendlich sich verkleinernd und vermindernd. Ihr unterster Herr ist der Teufel, der Mondgeist, der Trabant der Erde, kleiner und kälter und toter als die Erde. Es ist kein Unterschied in der Macht der himmlischen und der erdhaften Götter. Die himmlischen vergrößern, die erdhaften verkleinern. Unermesslich ist beiderlei Richtung. zurück zum Inhalt nach unten zu Belehrung VI Sermo V Die Toten spotteten und riefen: lehre uns, Narr, von Kirche und heiliger Gemeinschaft. Die Welt der Götter verdeutlicht sich in der Geistigkeit und in der Geschlechtlichkeit. Die himmlischen erscheinen in der Geistigkeit, die erdhaften in der Geschlechtlichkeit. Geistigkeit empfängt und erfasst. Sie ist weiblich und darum nennen wir sie die MATER COELESTIS, die himmlische Mutter. Geschlechtlichkeit zeugt und erschafft. Sie ist männlich und darum nennen wir sie PHALLOS, den erdhaften Vater. Die Geschlechtlichkeit des Mannes ist mehr erdhaft, die Geschlechtlichkeit des Weibes ist mehr geistig. Die Geistigkeit des Mannes ist mehr himmlisch, sie geht zum Größeren. Die Geistigkeit des Weibes ist mehr erdhaft, sie geht zum Kleineren. Lügnerisch und teuflisch ist die Geistigkeit des Mannes, die zum Kleineren geht. Lügnerisch und teuflisch ist die Geistigkeit des Weibes, die zum Größern geht. Jeder gehe zu seiner Stelle. Mann und Weib werden aneinander zum Teufel, wenn sie ihre geistigen Wege nicht trennen, denn das Wesen der Creatur ist Unterschiedenheit. Die Geschlechtlichkeit des Mannes geht zum Erdhaften, die Geschlechtlichkeit des Weibes geht zum Geistigen. Mann und Weib werden aneinander zum Teufel, wenn sie ihre Geschlechtlichkeit nicht trennen. Der Mann erkenne das Kleinere, das Weib das Größere. Der Mensch unterscheide sich von der Geistigkeit und von der Geschlechtlichkeit. Er nenne die Geistigkeit Mutter und setze sie zwischen Himmel und Erde. Er nenne die Geschlechtlichkeit Phallos und setze ihn zwischen sich und die Erde, denn die Mutter und der Phallos sind übermenschliche Dämonen und Verdeutlichungen der Götterwelt. Sie sind uns wirksamer als die Götter, weil sie unserm Wesen nahe verwandt sind. Wenn Ihr Euch von Geschlechtlichkeit und von Geistigkeit nicht unterscheidet und sie nicht als Wesen über Euch und um Euch betrachtet, so verfallt Ihr ihnen als Eigenschaften des Pleroma. Geistigkeit und Geschlechtlichkeit sind nicht Eure Eigenschaften, nicht Dinge, die Ihr besitzt und umfasst, sondern sie besitzen und umfassen Euch, denn sie sind mächtige Dämonen, Erscheinungsformen der Götter, und darum Dinge, die über Euch hinaus reichen und an sich bestehen. Es hat einer nicht eine Geistigkeit für sich oder eine Geschlechtlichkeit für sich, sondern er steht unter dem Gesetz der Geistigkeit und der Geschlechtlichkeit. Darum entgeht keiner diesen Dämonen. Ihr sollt sie ansehen als Dämonen und als gemeinsame Sache und Gefahr, als gemeinsame Last, die das Leben euch aufgebürdet hat. So ist Euch auch das Leben eine gemeinsame Sache und Gefahr, ebenso auch die Götter und zuvörderst der furchtbare Abraxas. Der Mensch ist schwach, darum ist Gemeinschaft unerläßlich; ist es nicht die Gemeinschaft im Zeichen der Mutter, so ist es sie im Zeichen des Phallos. Keine Gemeinschaft ist Leiden und Krankheit. Gemeinschaft in jeglichem ist Zerrissenheit und Auflösung. Die Unterschiedenheit führt zum Einzelsein. Einzelsein ist gegen Gemeinschaft. Aber um der Schwäche des Menschen willen gegenüber den Göttern und Dämonen und ihrem unüberwindlichen Gesetz ist Gemeinschaft nötig. Darum sei so viel Gemeinschaft als nötig, nicht um der Menschen willen, sondern wegen der Götter. Die Götter zwingen Euch zur Gemeinschaft. So viel sie Euch zwingen, so viel Gemeinschaft tut not, mehr ist von Übel. In der Gemeinschaft ordne sich jeder dem andern unter, damit die Gemeinschaft erhalten bleibe, denn Ihr bedürft ihrer. Im Einzelsein ordne sich einer dem andern über, damit jeder zu sich selber komme und Sklaverei vermeide. In der Gemeinschaft gelte Enthaltung, im Einzelsein gelte Verschwendung. Die Gemeinschaft ist die Tiefe, das Einzelsein ist Höhe. Das richtige Maß in Gemeinschaft reinigt und erhält. Das richtige Maß im Einzelsein reinigt und fügt hinzu. Die Gemeinschaft giebt uns die Wärme, das Einzelsein giebt uns das Licht. zurück zum Inhalt nach unten zu Belehrung VII Sermo VI Der Dämon der Geschlechtlichkeit tritt zu unsrer Seele als eine Schlange. Sie ist zur Hälfte Menschenseele und heißt Gedankenwunsch. Der Dämon der Geistigkeit senkt sich in unsre Seele herab als der weiße Vogel. Er ist zur Hälfte Menschenseele und heißt Wunschgedanke. Die Schlange ist eine erdhafte Seele, halb dämonisch, ein Geist und verwandt den Geistern der Toten. Wie diese, so schwärmt auch sie herum in den Dingen der Erde und bewirkt, dass wir sie fürchten, oder dass sie unsere Begehrlichkeit reizen. Die Schlange ist weiblicher Natur und sucht immer die Gesellschaft der Toten, die an die Erde gebannt sind, solche, die den Weg nicht hinüberfanden, nämlich ins Einzelsein. Die Schlange ist eine Hure und buhlt mit dem Teufel und mit den bösen Geistern, ein arger Tyrann und Quälgeist, immer zu übelster Gemeinschaft verführend. Der weiße Vogel ist eine halbhimmlische Seele des Menschen. Sie weilt bei der Mutter und steigt bisweilen herab. Der Vogel ist männlich und ist wirkender Gedanke. Er ist keusch und einsam, ein Bote der Mutter. Er fliegt hoch über die Erde. Er gebietet das Einzelsein. Er bringt Kunde von den Fernen, die vorangegangen und vollendet sind. Er trägt unser Wort herum in den Dingen der Erde und bewirkt, dass wir sie fürchten, oder dass sie unsere Begehrlichkeit reizen. Die Toten blickten mit Verachtung und sprachen: Höre auf von Göttern, Dämonen und Seelen zu reden. Das wussten wir im Grunde schon längst. zurück zum Inhalt nach unten zum Textanfang Sermo VII Des Nachts aber kamen die Toten wieder mit kläglicher Gebärde und sprachen: Noch eines, wir vergaßen davon zu reden, lehre uns vom Menschen. Der Mensch ist ein Thor, durch das Ihr aus der Außenwelt der Götter, Dämonen und Seelen eintretet in die Innenwelt, aus der größeren Welt in die kleinere Welt. Klein und nichtig ist der Mensch, schon habt Ihr ihn im Rücken, und wiederum seid Ihr im unendlichen Raume, in der kleineren oder inneren Unendlichkeit.
In unermesslicher Entfernung steht ein einziger Stern im Zenith.
Dies ist der eine Gott dieses Einen, dies ist seine Welt, sein Pleroma, seine Göttlichkeit. In dieser Welt ist der Mensch der Abraxas, der seine Welt gebiert oder verschlingt. Dieser Stern ist der Gott und das Ziel des Menschen. Dies ist sein einer führender Gott, in ihm geht der Mensch zur Ruhe, zu ihm geht die lange Reise der Seele nach dem Tode, in ihm erglänzt als Licht alles, was der Mensch aus der größeren Welt zurückzieht. Zu diesem einen bete der Mensch. Das ebet mehrt das Licht des Sternes, es schlägt eine Brücke über den Tod, es bereitet das Leben der kleineren Welt, und mindert das hoffnungslose Wünschen der größeren Welt. Wenn die größere Welt kalt wird, leuchtet der Stern. Nichts ist zwischen dem Menschen und seinem einen Gotte, sofern der Mensch seine Augen vom flammenden Schauspiel des Abraxas abwenden kann. Mensch hier, Gott dort. Schwachheit und Nichtigkeit hier, ewige Schöpferkraft dort. Hier ganz Dunkelheit und feuchte Kühle, Dort ganz Sonne.
Darauf schwiegen die Toten und stiegen empor wie Rauch über dem Feuer des Hirten, der des Nachts seiner Herde wartete. ANAGRAMMA: NAHTRIHECCUNDE GAHINNEVERAHTUNIN ZEHGESSURKLACH ZUNNUS
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